Textautor Gil Mehmert befragt zum Musical «Wüstenblume»
Wir dürfen nicht länger zulassen, dass gesunde Mädchen verstümmelt werden. Darauf kann nicht genug aufmerksam gemacht werden, ganz gleich in welcher Form auch immer. Der Bestseller Wüstenblume von Waris Dirie kommt auf die St. Galler Bühne.
Aus der berührenden Geschichte des somalischen Nomadenmädchens, das zum Supermodel und zum Symbol für die Stärke der Frauen wurde, haben Gil Mehmert (Buch) und Uwe Fahrenkrog-Petersen (Musik) ein Musical verfasst, das am 22.Februar 2020 am Theater St. Gallen uraufgeführt wird. «Das Musical ist Drama, ist Choreografie, ist Poesie ist grosse Oper», sagt Gil Mehmert. «Wüstenblume» schreit geradezu danach, vielschichtig erzählt zu werden.“
ostschweizerinnen.ch hat Gil Mehmert interviewt:
Was hat Sie an dem Stoff gereizt?
Waris Dirie und das Thema FGM, besonders natürlich auch der Kinofilm waren mir natürlich längst bekannt, als ich mit der Idee konfrontiert wurde, die zugrunde liegende Biographie als Vorlage für ein Musical zu nutzen. Gerade die Tiefe und Wichtigkeit der Geschichte mit den poetischen Erzählweisen des Genres Musicals zusammen zu bringen, erschienen mir von Beginn an, äusserst reizvoll.
Was war für Sie die grösste Herausforderung?
Wir befinden uns ja noch mitten im Prozess, insofern reissen die Herausforderungen nicht ab. Jeder wird den eigentlich Akt der Genital-Verstümmelung, wie er im Film auch drastisch gezeigt wird, als die grösste Problematik in der Bühnenumsetzung empfinden. Das zu lösen ist eine grosse Aufgabe, doch überhaupt in einer Biographie mit so vielen verschiedenen Lebensphasen, in einer Bühnenerzählung gerecht zu werden, ist dramaturgisch nicht leicht zu bewältigen.
Sind Sie bei Ihrer Arbeit emotional an Grenzen gestossen?
Der oben genannte Akt ist ja nur ein Teil des Ganzen und erstmals ist der ganze Prozess, ein solches Musical zu entwickeln, eine anstrengende, oft sehr schöne, aber eben auch auf vielen Ebenen herausfordernde Reise mit anderen Kreativen, die entsprechend unterschiedlich emotional, aber eben auch intellektuell Grenzen berühren.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit dem Komponisten ergeben?
Uwe Fahrenkrog-Petersen ist der eigentliche Initiator dieses Musicals, das aus einem Zusammentreffen seinerseits mit Waris Dirie seine ersten Züge annahm. Ich wurde dann von ihm kontaktiert, ob ich nicht als Autor bereit sei, diesen Stoff mit zu entwickeln. Letztlich ist aber das Theater St. Gallen als Produzent genauso mitentscheidend gewesen, das Kreativteam zusammen zu bringen.
Ist es richtig, dass ein Man einen solchen Text schreibt?
Frauen sind die Opfer dieser Thematik, Männer die Täter. Sich als Mann hier deutlich zu positionieren ist demgemäss ein ganz wichtiger Akt. Für die künstlerische Qualität der Arbeit ist nicht unbedingt das Geschlecht das Hauptkriterium, sondern die Sensibilität für die Thematik und die Möglichkeiten der künstlerischen Umsetzungen, insbesondere im Gewand eines Musicals. Ich hoffe, dem gerecht zu werden.
Spielt es eine Rolle, ob das Textbuch von einem Mann oder eine Frau geschrieben wird?
Dazu passt eigentlich die eben gegebene Antwort genauso. Die komplexe Thematik und umfangreiche Biographie von Waris Dirie auf die Bühne zu bringen, verlangt soviel Leidenschaft und Elan, dass ich hier gar nicht als weiblicher oder männlicher Autor agiere, sondern als politisch und gesellschaftlich engagierter Mensch und Künstler.
In wie weit ist Waris Dirie mit involviert?
Natürlich hat Waris ein Auge auf unsere Arbeit, sie bekommt natürlich auch entsprechend Wasserstandsmeldungen, aber vor allem ist sie eine grosse Inspiration.
Bild: Gil Mehmert