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Vom Frauentag und geschichtsträchtigen Büchern und Medien II

Der internationale Frauentag ist eine Errungenschaft. Er war eine Antwort für all die Frauen, die während des ersten Weltkrieges daheim den Alltag meisterten, während die Männer an der Front kämpften. Er ist heute nicht nur der Tag der Rechte der Frau, sondern auch der Tag des Weltfriedens, denn diesen haben die Frauen ganz besonders in der Hand. Von Wegbereiterinnen wie Clara Zetkin, Iris von Roten, Simone de Beauvoir, aber auch von Esther Vilar, einer Frau, die glaubte, für die Männer einstehen zu müssen, erfuhren wir im ersten Teil. In diesem Teil geht es um eine Frau, die jeder und jedem als erstes in den Sinn kommt, wenn sie/er an Gleichstellung denkt: die Journalistin und Frauenrechtskämpferin Alice Schwarzer.

 

Mit der «Fernsehschlacht des Jahres» schrieb 1971 nicht nur Esther Vilar Geschichte. Nein, die Ausstrahlung war auch der definitive Start des unaufhörlichen Siegeszuges der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer. Die Fernsehdiskussion brachte damals einen Wendepunkt im Gleichstellungskampf. Das Buch «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen» machte Schwarzer weit über Deutschland hinaus bekannt und wurde später weltweit in zwölf Sprachen übersetzt. Seit Mitte der Siebzigerjahre gilt Alice Schwarzer als Synonym für den Frauenrechtskampf und wurde zur bekanntesten, aber wohl auch umstrittensten Persönlichkeit rund um die Gleichstellung und den Feminismus. Esther Vilar nannte Alice Schwarzer damals «eine Verräterin am eigenen Geschlecht, eine Sexistin und gar Faschistin». Schwarzer hob ebenso nachdrücklich hervor, dass das Ziel des feministischen Kampfes keine Angleichung an die männliche Lebensform bedeute, sondern die Forderung an die Vermenschlichung der Geschlechter beinhalte. Dazu steht die Journalistin noch heute, genauso wie vor 40 Jahren.

«Nicht unsere Integrierung ist wünschenswert, nicht die Vermännlichung der Frauen, sondern die Vermenschlichung der Geschlechter.»

Eine grosse Bedeutung spielte die «Emma», die im Januar 1977 erstmals erschien und als deren Verlegerin und Chefredakteurin Alice Schwarzer mit einer kurzen Unterbrechung seit Jahrzehnten und bis heute wirkt. Die «Emma» griff von Beginn weg Themen auf, die es in anderen Medien nicht gab – und erstmals hatten die Frauen ein Sprachrohr, das sie als mehr als Hausfrau, Mami und Modepuppe definierte. Spektakulär verlief der Prozess der «Emma» gegen die Zeitschrift «Stern», die frauenfeindliche Titelbilder abdruckte. Ende der Siebzigerjahre berichtete Alice Schwarzer über die Auswirkungen der Machtergreifung Khomeinis in Teheran. «Diese Frauen waren gut genug, ihr Leben im Kampf für die Freiheit zu riskieren, sie werden nicht gut genug sein, in Freiheit zu leben», folgerte sie aus ihren Recherchen. Ihr Augenmerk galt fortan der negativen Entwicklung, aufgrund des religiösen Fundamentalismus.

«Die Frauen haben gelernt, die Stärke der Männer zu bewundern. Die Stärke anderer Frauen ist ihnen verdächtig»

Eine unabhängige Jury verleiht unter ihrem Vorsitz alle zwei Jahre Anerkennungen «für innovative Artikel, die ein Bewusstsein für gesellschaftliche Realitäten und die Lage der Geschlechter haben.» Schwarzers politische Essays und Biografien, wie die Fallstudie über den Tod von Petra Kelly, die Biografie über Marion Dönhoff und Romy Schneider und zwei weitere Dutzend Bücher als Autorin oder Herausgeberin, tragen die klare Handschrift Schwarzers und zeigen andere Seiten als gewöhnliche Porträts in Büchern auf. Wenn Alice Schwarzer in den letzten Jahren eher negative Schlagzeilen schrieb, sei es wegen Steuerhinterziehungen, wegen sinnloser Gerichtsprozesse oder wegen nicht nachvollziehbarem Gedankenwandel (z.B. als sie als Werbeträgerin der von ihr stets bekämpften Bild-Zeitung amtete), ändert das nichts daran, was die Frauen dem Engagement  dieser Frau für die Gleichstellung zu verdanken haben.

«Um keinen Preis möchte ich die manchmal recht dünne Luft der Konfrontation wieder tauschen gegen die stickige des Sich-Einreihens, des Sich-Beugens.»

Natürlich gehörte Alice Schwarzer  1983 zu den Gründerinnen des «Hamburger Instituts für Sozialforschung» und übernahm den Vorsitz im Vorstand des neuen feministischen Archivs und Dokumentationszentrums «FrauenMediaTurm» in Köln. Wer hätte diese Aufgabe besser in die Hand nehmen können als sie, die sich seit Jahrzehnten mit der Gleichstellung auseinandersetzte? Selbstkritisch gab sie jenen teilweise Recht, die ihr eine egozentrische Profilierungssucht attestierten. Sie ist oft und gern zu Gast in Talkshows, wo sie manchmal rechthaberisch und scharfzüngig polarisiert – und gleichzeitig für Unterhaltung und Gesprächsstoff sorgt. Die Ikone der neuen Frauenbewegung wurde vom «Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband» 1997 zur Frau des Jahres gewählt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen für ihr Engagement, etwa den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen oder das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, womit sie sich wieder den Tadel kompromissloser Feministinnen einhandelte, durch die Ehrungen aus der «Männergesellschaft» verrate sie die Frauen.

«Der Motor meines Handelns ist die Gerechtigkeit. Gerechtigkeit in meinem persönlichen Leben; in dem Land, in dem ich lebe; in der ganzen Welt. Ein Leben, in dem ich nicht alles in meiner Macht Stehende getan hätte, um dieses Ideal zu verwirklichen, wäre für mich ein verpasstes Leben.» 

Auch in der Schweiz gab es Frauen, die Frauengeschichte schrieben, um Alice Schwarzer aber, kam und kommt wohl auch hier niemand herum. Wer sie nicht mag, wer ihre Aktionen nicht nachvollziehen kann, der hasst und hasste sie aus vollen Kräften. Sind es die nicht immer einfachen Lebensumstände, die Alice Schwarzer zu jener Frau machten, die sie ist? Sie würde die Frage mit Sicherheit bejahen. In ihrem Buch «Lebenslauf» beschreibt sie anschaulich, was sie antrieb und weiterhin immer wieder antreibt. Alice Schwarzer stand stets für die Gerechtigkeit ein. In einem Land, in dem Frauen des Geschlechtes wegen, in mancherlei Beziehungen rechtlos sind, will und wollte sie nie leben. Ihre Zeit in Paris, die Bekanntschaft mit Simone de Beauvoir, hat sie nachhaltig geprägt und politisiert. Ihre Autobiografie beginnt mit dem ersten Tag der «Alice» und endet mit der Geburt der «Emma». Dazwischen liegen 34 lebhafte Jahre. Die Realität der Alice sieht in weiten Teilen ganz anders aus, als die Klischees der Öffentlichkeit über sie. Und genau das wollte Schwarzer mit ihrer Autobiografie aufzeigen.

Fortsetzung folgt!


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