Vom Rüedu, vom Koni, vom Wildpferd und von der kleinen Hex

Vom Rüedu, vom Koni, vom Wildpferd und von der kleinen Hex

«Wissen Sie, was ein Rüedu ist?», fragt die Bloggerin Nadia Meier in ihrem Artikel. Ich weiss, was es ist, wurde ich doch in meiner Kindheit öfters so genannt. Auch liebte ich den Namen «Koni» mehr, als wenn man mich «Conny» nannte. Zur «Cornelia» wurde ich dann erst im Erwachsenenalter und damit wohl definitv in gewünschte Rollen gedrängt.

Ein «Rüedu» ist im Berndeutschen ein Mädchen/eine Frau, die sich wie ein Junge oder Mann benimmt. Wenn Nadia Meier nun ihre Tochter als Mädchen mit schulterlangem Haar, mit Liebe zu Kleidchen und Pferdepullys beschreibt, dann sehe ich meine «kleine Hex» vor mir, meine Tochter Sarah, die sich immer noch so gibt, wie sie es als kleines Mädchen machte und sich einfach nicht verbiegen lässt. Glücklicherweise nicht!

Sarah aber ist und war sich immer sehr bewusst, dass sie ein Mädchen ist – und sie wollte auch gar nie etwas anderes sein. Der Name «Hex oder Hexlein» macht sie stolz und er hat sie überallhin begleitet, wo sie jemals lebte. Zwei Wochen in einer anderen Schule oder in einer anderen Region und sie wurde «Hexlein» genannt – und dies ohne Mithilfe ihrer Familie, auch wenn Sarah dies immer wieder vermutet. «Hexen sind Heilerinnen. Sie sind etwas Besonderes. Sie sind cool», sagte sie schon als kleines Kind.

Mit ihrer Lebhaftigkeit und wegen ihrer Ausstrahlung und ganz besonderen Art, ist Hexlein das, was sie ist. «Wo sie ist, geht die Post ab», schreibt Nadia Meier in ihrem Blog über ihre Tochter. Hexlein ist ebenfalls eine «Partylöwin, eine Rambazamba-Expertin und eine Dirigentin, die gern den Ton angibt». Hexlein ist auch meistens laut. Wenn sie lacht, dann biegen sich die Balken. «Wenn sie ein Schnäbi hätte, wäre das Lautsein kein Problem», schreibt Nadia über ihre Tochter. Diese sei nicht einmal ungewöhnlich laut oder wild. «Aber offensichtlich zu laut und zu wild für ein Mädchen».

In der Schweiz hätte man die Mädchen gerne brav und ruhig, gern mit Zöpfen, stundenlang in der Ecke sitzend und Mandalas ausmalend. Mädchen müssten fleissig und nett sein, kleine Annikas und keine Pippi Langstrumpfs. Mädchen seien so «gäbig» zu halten. Nadia Meier weigert sich vehement, ihr Mädchen in eine Schublade stecken zu lassen. Sie plädiert, dass ihre Tochter bleiben kann, wie sie ist. «Wenn sie laut und wild ist, dann ist sie kein Rüedu, sondern ein lautes, wildes Mädchen. Wenn sie in Kindergruppen gern die Führung übernimmt, ist sie kein Umebefähli, sondern sie kann sich gut durchsetzen», schreibt Nadia weiter.

Einem Jungen würde man, hätte er dieselben Eigenschaften wie ihr Mädchen, bereits jetzt Managerqualitäten attestieren, so Nadia. Ihr Mädchen sollte nicht glauben müssen, sie müsse braver, leiser oder kleiner sein, als die gleichaltrigen Jungs. «Denn ich spreche nicht nur mit dem Mädchen von heute. Ich spreche auch mit der Frau, die sie später sein wird. Und ich finde, dass wir noch mehr Frauen brauchen, die laut und deutlich ihre Meinung sagen. Die sich durchsetzen können und sich grosse Aufgaben zutrauen», schreibt sie.

Natürlich könne sie nicht ganz allein gegen die kulturelle Prägung kämpfen. Durch Bücher und Filme, in der Schule oder durch unsensible Bemerkungen von Erwachsenen bekomme sie durchaus mit, wie ein Mädchen angeblich zu sein habe. Die kleine Tochter nimmt es leicht: Als sie kürzlich hörte, wie eine andere Mutter sie Wildfang nannte, korrigierte sie: Ich bin kein Wildfang, ich bin ein Wildpferd und galoppierte davon».

Um nun aber nochmals auf mich, den ehemals stolzen «Ruedibueb» von einst zu kommen. Ich hatte es – dem Kinderalter entwachsen – nicht einfach und litt, weil ich stets jemand anders hätte sein sollen, um zu gefallen oder einfach richtig zu sein. Einiges verfolgt mich bis heute noch. Meine «Hex» aber schert sich keinen Deut darum, wenn sie jemand laut, wild oder in der Art eher jungenhaft schimpft. Sie findet immer einen Spruch, mit dem sie ihre Kritiker/innen schachmatt setzen kann – immer anständig, immer nett, immer bestechend oder süss, sodass am Schluss meist alle lachen können. Sarah ist gerne, so wie sie ist, selbst wenn sie ihre Fehler natürlich ebenfalls wahrnimmt und daran arbeiten muss. Ich wünschte dies jedem Mädchen und jeder Frau auf der Welt.

Bild: Wo die kleine Hex (Sarah links)  sich herumtreibt, ist immer etwas los!

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