• Home
  • /Arbeit
  • /Vom weiblichen Zyklus über die Gesundheit lernen
Vom weiblichen Zyklus über die Gesundheit lernen

Vom weiblichen Zyklus über die Gesundheit lernen

Für die meisten Frauen ist die Periode einfach nur nervig, für einige sogar schmerzhaft. Doch die Menstruation ist mehr: eine Art Barometer für die Gesundheit. Wie wir sie positiv nutzen können, weiss Sibylle Matter Brügger.

Viele Frauen fühlen sich ausgelaugt, weniger leistungsfähig, manche haben Schmerzen oder sind emotional labiler während der Periode. Doch wie Frau sich fühlt, hat oft keinen Platz im durchgetakteten Alltag. Schade, denn die Menstruation könnte einiges über den eigenen Körper aussagen. Nur ist das bisher kaum erforscht. Warum eigentlich?

Frau Matter Brügger, den Satz ‹Na, kriegst du deine Tage oder wieso bist du so zickig?›, kennt wohl jede Frau. Doch nicht jede kann über solche Sprüche lachen. Denn jede Frau empfindet die zyklischen Veränderungen in ihrem Körper anders. Warum ist die Monatsblutung für viele so negativ behaftet?

Ich glaube, wir müssen davon wegkommen, die Menstruation schlechtzumachen. Wenn Männer solche Sprüche fallen lassen, ist das nicht gerade hilfreich. Ein bisschen mehr Verständnis kann Frau da schon fordern. Auch wenn eine Frau unter Schmerzen leidet, sollte sie das nicht für sich behalten müssen.

Ob und wie stark Beschwerden während der Periode auftreten, ist sehr unterschiedlich. Auch die vorläufige Analyse der Daten der Apple Women’s Health Study an der Harvard T.H. Chan School of Public Health belegt, dass es eine grosse Bandbreite an Menstruations-Symptomen gibt.

Ja genau, das sehe ich in der Praxis immer wieder. Während manche Frauen nur eine Blutung bemerken, sind andere aufgrund starker Schmerzen und Krämpfe nicht in der Lage, ihrem Alltag nachzugehen. Manche verbringen sogar einige Tage im Bett. Zyklusabhängig ist häufig auch, wie stark man den Schmerz wahrnimmt.

Dennoch ist der Menstruationszyklus von Frauen auffallend wenig erforscht. Medizinische Forschungen beschränken sich oft auf Studien kleineren Umfangs, die nicht repräsentativ sind für die breite Bevölkerung. Warum ist die Thematik nicht mehr im Fokus?

Es gibt schon Forschung zu hormonellen Veränderungen innerhalb des Zyklus, vor allem auf der gynäkologischen Seite gibt es einige Studien. Anders sieht es hingegen aus Sicht der Sportwissenschaft aus oder bei allgemeinen Einflüssen, beispielsweise auf die Schmerzen während des Zyklus. Oder noch genereller in der klinischen Forschung: Hier sind die Frauen gegenüber den Männern deutlich unterrepräsentiert.

Das Hauptargument lautet hier ja, weil Studien aufgrund ihrer Zyklusschwankungen schwieriger auszuwerten seien.

Es kann gut sein, dass das tatsächlich mit dem Zyklus zu tun hat. Die Forschung müsste ein bisschen aufwendiger gestaltet werden, weil Hormonschwankungen innerhalb des Zyklus miteinbezogen werden müssen. Die klinische Forschung setzt bei den Studienteilnehmern daher lieber auf die Männer als Standard. Folglich gibt viel mehr Forschung an Männern als an Frauen. Aber man weiss heute, dass beispielsweise Medikamente bei Frauen anders wirken können als bei Männern.

Was könnten wir Frauen vom Zyklus über unsere Gesundheit lernen?

Wenn die Periode plötzlich ausbleibt, kann das – nebst einer Schwangerschaft oder der Beginn der Menopause – ein Alarmzeichen sein. Oft ist Stress eine typische Ursache dafür oder auch eine zu kleine Energiezufuhr für den Körper. Bei einmaligem Ausfall sollte Frau sich noch keine Sorgen machen, das kann vorkommen. Kommt die Periode nicht mehr zurück, können jedoch körperliche Probleme dahinterstecken, etwa eine Erkrankung, weshalb es wichtig ist, deshalb eine Fachperson aufzusuchen. Das Gleiche gilt bei starken Schmerzen während der Menstruation.

Für viele bleibt die Periode ein lästiges Muss oder manchmal auch einfach ein Mysterium. Wie kann ich ihre positiven Seiten ausnutzen?

Ich glaube, diesen kann Frau sich bewusst werden, indem sie eine Art Tagebuch führt, das kann auch mithilfe einer App sein, und sich mit dem Zyklus beschäftigt. In einem zweiten Schritt lässt sich dann sehen, was Frau innerhalb des Zyklus spürt, wie sie sich fühlt oder wie sich dieses Gefühl verändert. Sind diese Veränderungen zyklisch, kann man sich fragen, was einen genau stört, was man verändern möchte oder auch positiv für sich nutzen kann. Je besser wir unseren Zyklus kennenlernen und beobachten, desto besser können Zusammenhänge erkannt werden.

Welcher Einfluss hat der Menstruationszyklus auf die Leistungsfähigkeit?

Statistisch gesehen gibt es kaum Veränderungen der sportlichen Leistungen innerhalb des Zyklus, individuell allerdings sehr wohl. Viele Frauen fühlen sich vor der Mens träge, schwer oder sind in einem psychischen Tief, manche leiden unter starken Schmerzen, das kann mit dem Zyklus zusammenhängen und durchaus einen Einfluss auf die Leistung haben. Die Menstruationsphase kann bei Sportlerinnen mit einer leichten Reduktion der Leistungsfähigkeit einherzugehen, muss aber nicht. Es gibt Frauen, die sich dann sehr leistungsfähig fühlen. Wichtig ist, sich dessen erst einmal bewusst zu werden, um die positiven Seiten auszunutzen. In Bezug auf den Sport ist, wenn man kraftorientiert mit Maximalkraft trainiert, der Trainingseffekt in der ersten Zyklushälfte ein bisschen besser. Vorausgesetzt, der Zyklus ist regelmässig und Frau nimmt keine Pille. Neben der Leistungsfähigkeit könnte der Menstruationszyklus auch die Verletzungsanfälligkeit beeinflussen.

Die wenigsten Frauen reden gern über ihre Mens, für manche ist es ein Tabu. Was beobachten Sie in Ihrem Praxisalltag?

Ich selber nehme es nicht mehr als Tabuthema wahr. Aber ich glaube, gerade im Leistungssport gibt es noch sehr viel zu tun. Noch immer haben viele Trainer Hemmungen, junge Athletinnen auf die Thematik anzusprechen. Umgekehrt übrigens ist es genauso. Ich finde, auch Eltern könnten mehr sensibilisiert werden. Viele junge Frauen, die unter Schmerzen leiden, denken, das gehöre dazu und sie müssten damit selber zurechtkommen. Man kann etwas gegen monatliche Beschwerden tun und das sollte auch im Training thematisiert werden. Von daher glaube ich, dass es noch an zu vielen Orten ein Tabu ist.

Es gibt schon einige Apps, die sich mit dem Zyklus von Sportlerinnen befassen, etwa um die Trainingspläne entsprechend zu optimieren. Als weltweit erste überhaupt richten sich die Profi-Frauen des Chelsea FC im Training nach dem Menstruationszyklus der Spielerinnen. Das Erfolgsrezept der Zukunft?

Es ist sicher eine gute Sache. Die Fussballerinnen haben sehr viel gemacht in diesem Bereich, auch mit der Absicht die Verletzungsgefahr zu minimieren und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Aber man sollte zyklusgesteuertes Training auch nicht überspitzen. Es sollte nicht die Erwartung sein, dass jetzt alle zyklusgesteuert trainieren, das ist nicht sinnvoll und ist eher dem Leistungssport vorbehalten. Wichtig ist aber, dass Sportlerinnen sich und ihren Zyklus besser kennenlernen, bewusst wahrnehmen und dokumentieren, was sie spüren und wie sie auf die hormonellen Veränderungen reagieren. Es ist übrigens zu beobachten, dass wenn Frauen häufig zusammen trainieren und den gleichen Rhythmus haben, sich die Zyklen innerhalb des Teams angleichen, was das gemeinsame Training ein bisschen einfacher macht.

Wäre zyklusgesteuertes Training auch eine Taktik für ambitionierte Freizeitsportlerinnen – oder sollte Frau sich lieber aufs eigene Körpergefühl verlassen?

In gewissen Fällen ist das Körpergefühl noch immer wichtiger. Ich glaube, Hobbysportlerinnen sollten sich nicht zu sehr auf ein zyklusgesteuertes Training konzentrieren. Für die meisten ist wohl wichtiger, dass sie trainieren können, wenn sie Zeit haben und das ist sicher auch der richtige Weg. Sind aber die Schmerzen während der Menstruation so stark, dass nicht an Sport zu denken ist, macht es keinen Sinn, sich zum Training zu zwingen. Dann ist es sicher eine gute Sache mit einer Fachperson individuell zu schauen, in welcher Zyklusphase das Training möglich ist und dann stärker den Fokus auf sportliche Aktivitäten zu richten. Frau sollte sich nicht mit Schmerzen zum Training quälen – Bewegung und Spass sollen immer einhergehen.

Quelle: Sulamith Ehrensperger @bluewin.ch

Bild: swr.de

Sibylle Matter Brügger ist Leitende Ärztin Sportmedizin des Medbase Sports Medical Center  in Bern. Der Thematik Frau und Sport widmet sich sie sich seit Jahren. Die Nidwaldnerin ist eine ehemalige Schweizer Triathletin, Olympionikin (2000) und zweifache Gewinnerin des Ironman Zürich. Die zweifache Mutter ist noch heute aktiv und bestreitet sie ein paar wenige Wettkämpfe im Jahr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*