“Werter Herr Bundesrat…”

“Werter Herr Bundesrat…”

Man schrieb das Jahr 1942. Es war Sommer. Der Bundesrat verschärfte seine Flüchtlingspolitik. Mädchen aus der Maitlisek St. Gallen wehrten sich und schrieben dem Bundesrat einen Brief – und lösten auch eine Staatsaffäre aus.

Die Akteure der Theatergruppe AUJA! der Neuen Kantonsschule Aarau wählten zum Abschluss der  Ausstellung «Demokratie!» im Stadtmuseum ein Stück, das einen gelungenen Akzent zur zu Ende gehenden Eröffnungsausstellung setzt und das weiterführend aktuell und brennend bleiben wird, sieht man sich die aktuellen Meldungen und die immer härtere Asylpolitik an. Das Flüchtlingsdrama «Das Verhör» basiert auf einem Brief, den Schülerinnen der einstigen Maitlisek St. Gallen dem Bundesrat schrieben, nachdem er die Flüchtlingspolitik verschärfte. Für sechs jüdische Schülerinnen hiess dies, mit den Familien ausgewiesen zu werden. Sie wurden damit in den (fast) sicheren Tod im Dritten Reich geschickt. Der Originalbrief war ebenfalls im  Aarauer Stadtmuseum zu sehen.

Eine der ausgewiesenen Flüchtlinge lebt

Die Texte basieren auf originalen Verhörprotokollen, Zeitungsausschnitten und historischen Recherchen zum Fall.  Eine schwierige Aufgabe für Gerda Baumgartner und die Schülerinnen und Schüler der 1. bis 4. Klasse der Neuen Kanti Aarau. Während über das Verhör einiges bekannt ist, fand man über die Flüchtlinge nämlich nichts. Monatelang wurde gesucht. Man wollte wissen, wer die sechs Menschen waren, die damals des Landes verwiesen wurden. Schliesslich erfuhr Gerda Baumgartner, dass es sich um belgische Flüchtlinge gehandelt hat. Die Jüngste der damaligen Gruppe überlebte. Tauba Süsskind heisst heute Tony Weber und lebt in Tel Aviv. Ein grosses Glück, denn auf der Reise zu der heute 89-jährigen Frau, erfuhr man, wie die Ausweisung weiter verlief. «Man hätte niemals zu hoffen gewagt, auch wahrheitsgetreu die Geschichte der Flüchtlinge erzählen zu können», freut sich Gerda Baumgartner. Die Aufnahme der Recherchen für das diesjährige Theaterstück hat aber noch weitere Kreise gezogen. Der Wittwer der damaligen Briefeschreiberin Heidi Weber lebt in Rorschach. Ihre Enkelin war an der Schlussaufführung des Stückes «Das Verhör» im Stadtmuseum vor Ort. Kein Wunder, dass ihr – wie dem gesamten Publikum – beim «Studium» dieser Geschichte teilweise der Atem stocken blieb.

 

Bild: Endlich die sichere Schweiz erreicht – und dann dieser Empfang.

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