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Wollen studierte Frauen wirklich keine Karriere machen?

Wollen studierte Frauen wirklich keine Karriere machen?

Es sei «beelendend», wie die «SonntagsZeitung» über das Thema Gleichstellung berichte, sagt Politgeograf Michael Hermann. Seine Forschung belege, dass studierte Frauen sehr wohl arbeiten.

 

Eine Studie, die an der Universität Zürich und an der ETH durchgeführt wurde, sorgt für Diskussionen. Sie untersuchte, weshalb der Frauenanteil auf den verschiedenen Karrierestufen abnimmt. Man spricht hier auch von der «Leaky Pipeline». Die SonntagsZeitung hatte Einblick in die noch unveröffentlichte Studie und titelte in der Folge: «Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selber Karriere machen.»  Im Artikel der «SonntagsZeitung» kamen auch die Autorinnen zu Wort. Sie sagten, es liege vor allem an den geringen Ambitionen der Frauen, weshalb sie keine Karriere machten. Strukturelle Probleme und Diskriminierung spielten keine Rolle. Am Montag berichtete auch watson über die noch nicht peer-reviewte Studie. Die Doktorandin Sarah Scheidmantel und die Nationalrätinnen Kathrin Bertschy und Min Li Marti kritisierten dabei die Studie und die Berichterstattung.

Gründe für die Leaky Pipeline sind vielschichtig

Nun wird auch Kritik von Michael Hermann laut. Der Politgeograf leitet das Forschungsinstitut Sotomo, welches im Februar eine Studie zum Thema Teilzeitarbeit veröffentlicht hat. «Es ist beelendend, wie zwei Professorinnen und die SonntagsZeitung es geschafft haben, dieses Thema auf eine reisserische Karikatur zu reduzieren», sagt Hermann. «Die Karikatur bedient wunderbar das Vorurteil der faulen Studierten und abhängigen Frauen. Fakt ist: Studierte haben die egalitärsten Vorstellungen von Aufteilung der Erwerbsarbeit unter Eltern», erklärt Hermann. Das sei bei der Teilzeit-Studie herausgekommen.

Das Thema Leaky Pipeline sei sehr relevant, sagt Hermann im Gespräch mit watson. «Es ist tatsächlich so, dass der Beschäftigungsgrad bei Männern und Frauen sehr ausgeglichen ist, bis die Familienphase kommt. Danach kommt ein Bruch.» Weshalb es zu diesem Bruch komme, sei sehr komplex, sagt Hermann. Die Gründe dafür seien vielschichtig. Im universitären Bereich liege es auch daran, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier sehr schwierig sei, wenn man eine Karriere machen wolle. Er sagt: «Es wird nicht nur ein extrem hoher Arbeitseinsatz verlangt, sondern man hat auch noch die Herausforderung, dass man mehrere Male den Wohnort wechseln und beispielsweise auch noch in den USA forschen muss. Das führt dazu, dass viele eine Karriere an der Universität nicht attraktiv finden.»

Studierte Frauen wollen arbeiten

Seine Forschung würde auch belegen, dass Frauen ein anderes Idealbild haben, sagt Hermann. Und: «Sie halten Vereinbarkeit für wichtiger, streben tendenziell eine tiefere Erwerbstätigkeit an und wollen mehr Zeit mit den Kindern verbringen als die Männer.» Daraus zu schliessen, dass Gleichstellungsmassnahmen nichts bringen, sei falsch, sagt Hermann. «In unseren Studien sieht man sehr wohl, dass die studierten Frauen arbeiten wollen – auch wenn sie Kinder haben. Die Strukturen müssen auch für jene verbessert werden, die vielleicht 60, 70 oder 80 Prozent arbeiten. Es braucht eine Vorstellung davon, dass man auch eine Karriere mit 80 Prozent machen kann.»  Hermann kritisiert auch Teile der Fragen, die bei der Erhebung gestellt wurden. So sei etwa eine Karriere bei 80 Prozent Beschäftigungsgrad gar keine Option. Er sagt: «Da sieht man, dass diejenigen, die den Fragebogen designt haben, mit alten Rollenbildern arbeiten.»

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