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Zurich Film Festival: «The Tale» erzählt erschütternd von sexuellem Kindsmissbrauch

Zurich Film Festival: «The Tale» erzählt erschütternd von sexuellem Kindsmissbrauch

Die «MeToo»-Debatte war auch am Zurich Filmfestival präsent. Regisseurin Jennifer Fox erzählt in «The Tale», wie sie als Kind sexuell missbraucht wurde – ein Film, der ein grosses Publikum verdient.

Die Dokumentarfilmerin und Produzentin Jennifer Fox hatte ein schreckliches Erlebnis in ihrer Kindheit: Sie wurde als 13-Jährige von ihrem viel älteren Lauftrainer sexuell missbraucht. Doch jahrzehntelang wollte sie es nicht wahr haben. Erst mit über 40 Jahren, als die oscarnominierte Amerikanerin für ihre Serie «Flying: Confessions of a Free Woman» mit Frauen auf der ganzen Welt sprach, dämmerte es ihr.

«Ich war schockiert, weil jede zweite Frau von Übergriffen oder Missbrauch erzählte. Und ich erkannte das gleiche Muster wie bei meinen Erlebnissen. Da musste ich umdenken und ich realisierte: Was mir widerfahren war, war ein sexueller Missbrauch. Ich benannte den Missbrauch nie – aus Angst, ein Opfer zu sein.» Heute nennt sie sich Überlebende, weil es das stärkere Wort sei. Das Wort «Opfer» lasse sie zusammenbrechen.

Die Suche nach Aufmerksamkeit

Fox’ Film «The Tale», der am Zurich Film Festival lief, zeigt mit verschiedenen Erzählebenen und bildlichen Assoziationen, wie Kindsmissbrauch, Trauma und Erinnerungen funktionieren. Es ist ein komplexer Prozess und nicht schwarz-weiss, weil sich die Erinnerungsperspektiven von Kindern und Erwachsenen unterscheiden: «Was Kinder nicht haben, was ich nicht hatte, ist Wissen und Erfahrung», ist sich Jennifer Fox heute bewusst: «Ich war nicht das dumme, passive, kleine Kind. Ich hatte einfach nicht das Wissen, zu erkennen, dass mich Erwachsene manipulierten. Und das ist oft das Problem bei sexuellem Kindsmissbrauch.»

Sie habe nie vergessen, was passiert sei, auch die negativen Seiten nicht, sie deutete sie einfach anders: «Der Sex war grauenhaft, aber ich dachte, das ist halt der Preis. Denn woran ich mich erinnerte und worauf ich fokussierte, waren die Aufmerksamkeit, die Liebe und das Gefühl, speziell zu sein», so die Regisseurin. Sie sei ein zähes Kind gewesen, fokussiert darauf, erwachsen und unabhängig zu werden. Und das kam den Erwachsenen gerade recht: «Sie waren Jäger und nutzen meine Unschuld auf abscheuliche Weise aus.»

Jennifer Fox traf ihren Peiniger im Zuge der Recherche für den Film: «Er hat bei unserem Treffen buchstäblich alle Frauen im Restaurant registriert», erzählt sie. «Er kam von hinten zu mir, berührte mein Haar und sagte, ohne mich zu erkennen: Sie haben schönes Haar.» Sie habe sofort gemerkt, dass dieser Mann ein Jäger sei: «Wir erwachsenen Frauen erkennen diese Art von Männern, die 24 Stunden am Tag flirten, weil wir Erfahrung haben.» Als Kind hingegen habe sie seine dunklen Seiten nicht erkannt: «Ich sah einen älteren Mann, der mich schätzte und ich dachte, es sei Liebe.»

Der Film ist Teil der Heilung

Die Regisseurin realisierte, wieviel Vertrauen sie verloren hatte und dass die Wunden noch da waren, unbehandelt: «Ich nutzte den Film, um alle Stücke zusammenzusetzen und dem Chaos einen Sinn zu geben. Aber es ist noch nicht zu Ende. Ich denke, ich werde heilen, bis ich sterbe.» «The Tale» ist ergreifend, erschütternd und wichtig. Denn angesichts der «MeToo»-Bewegung sollte die Zeit reif sein, nicht nur bei sexueller Belästigung von Erwachsenen näher hinzuschauen, sondern auch beim ultimativen Tabu des Kindsmissbrauchs.

Text und Bild: Zurich Film Festival

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