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Haben wir mit der Ablehnung des Grundeinkommens eine Chance verpasst?

Haben wir mit der Ablehnung des Grundeinkommens eine Chance verpasst?

Nun, die Vorlage für ein bedingungsloses Grundeinkommen kam ja nicht durch im Stimmvolk. Der Frage aber, ob es besonders den Frauen genützt hätte, soll trotzdem nachträglich nochmals nachgegangen werden. Und träumen ist auch weiterhin erlaubt, denn die Welt wäre besser, hätten alle Menschen einen bedingungslos zur Verfügung gestellten Betrag, um den Lebensunterhalt zu sichern.

“Sozial und wirtschaftlich Benachteiligte hätten sich besser ins gesellschaftliche Leben integrieren können”, waren die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens überzeugt. Weniger wurde über die Frauen diskutiert, denn ein Grundeinkommen hätte natürlich besonders auch sie entlasten können. Aber hätte es auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt und die Teilzeitarbeitssituation von Männern und Frauen verbessert? Hätte die “Herdprämie”, die von Gegnern als Kontrapunkt aufgeführt worden war, Frauen wirklich dazu verleitet, daheim bei Kind und Herd zu bleiben und monatlich einfach Geld vom Staat abzusahnen?

maenner.ch, der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen, legte in einem Positionspapier dar, weshalb ein gesichertes Grundeinkommen auch die Situation der Männer, wie auch der Frauen, verbessert hätte. Sie rechneten mit mehr Zeit und mehr Verantwortung für die familiären Pflichten. Hätte ein bedingungsloses Grundeinkommen die Arbeit zwischen Mann und Frau aber gerechter verteilt? Hätten Arbeitgeber nicht eher Mitarbeitende angestellt, die hochprozentig arbeiten möchten?

Wären wenigstens die Fixkosten gedeckt?

Richtig ist auf jeden Fall, dass Fixkosten wie Miete und Versicherungen abgedeckt worden und die finanzielle Situation für (Eineltern-)Familien erheblich entspannt worden wären. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Paar nach der Geburt eines Kindes in die traditionelle Rolle hineingeraten wäre, hätte sich entspannt. Die Co-Präsidentin von alliance F engagierte sich im Neinkomitee, mit dem Argument, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen Anreize für die Erwerbsarbeit ausschalten würde. Ein Grundeinkommen sei unrealistisch und gar kontraproduktiv, gerade für die Frauen.

Sogar der Bundesrat rechnete aus, ein Grundeinkommen von 2500 Franken würde besonders jene daran hindern, erwerbstätig zu sein, die nur wenig mehr verdienten – also Tieflohnarbeitende und teilzeitarbeitende Männer und Frauen. Stimmte das, hätten wir womöglich gleichzeitig mit der Einführung des Grundeinkommens, den Mindestlohn erhöht. Und ganz sicher hätte ein existenzielle Finanzgarantie Ehen und Familien befreit und traditionelle Rollenmodelle aufgebrochen.

Hätten wir weniger Ausgrenzung?

Kristina Eva Schwabe ist eine, die für das bedingungslose Grundeinkommen kämpfte. Dies habe mit ihrer Lebensgeschichte zu tun, sagt sie. Sieht sie ausgegrenzte Menchen, macht sie das traurig. “Hier zählen nur die Arbeitsfähigen, die Schaffenden”, sagt sie, die anderen Menschen seien nicht vollwertig. Dabei wähle doch kaum jemand sein Schicksal selbst. Als Kristina Eva Schwabe erstmals vom bedingungslosen Grundeinkommen hörte, war sie sofort davon überzeugt. Sie medete sich als Stimmensammlerin an.

Im Vordergrund stand für sie die Idee einer Änderung des Denkens und der Strukturen. Dass 77 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer der Idee eine Abfuhr erteilten, findet sie eine verpasste Chance. Dennoch setzt sie sich weiterhin für ein Grundeinkommen ein. Sie schreibt, veranstaltet Podien und verteilt Flyer – und sie konfrontiert auch weiterhin ihr Umfeld mit der Idee. Eine “Herzensangelegenheit” sei eine finanzielle Grundsicherheit für sie. Weil sie unter psychosomatischen Beschwerden leidet, kennt sie den Gedanken, sich minderwertig zu fühlen.

Weniger Zwang, sich leistungsmässig einzugliedern?

“Viele Menschen wären vom Zwang, sich in die Leistungsgesellschaft einzugliedern erlöst”, findet Schwabe. Ihr gehe es um die Bedingungslosigkeit und weniger um das Geld. “Jeder sollte ohne Bedingungen das machen können, was er gern tut und kann”. Ein Grundeinkommen wäre nicht nur nützlich für die Faulen. Schwabe ist überzeugt, dass der Mensch natürlich tätig sein möchte. Man müsse aber wieder lernen, einander wieder ein bedingungsloses Grundvertrauen zu schenken.

Die Schweiz hat entschieden und ein bedingungsloses Grundeinkommen abgelehnt. Selbst die Befürworter haben insgeheim damit gerechnet. Dass die Schweiz aber überhaupt eine Idee wie das bedingungslose Grundeinkommen zur Abstimmung brachte, ist doch schon ein grosser (Fort-)Schritt. Denken wir also auch weiterhin darüber nach, spinnen wir Visionen und träumen wir davon, wie es wäre, wenn alle Menschen bedingungslos einen gewissen Betrag für den Lebensunterhalt zur Verfügung hätten.

Bild: Kristina Eva Schwabe

Selber habe ich ebenfalls gegen das bedingungslose Grundeinkommen gestimmt, vorallem aus Gründen der Selbstverantwortung, die mir wichtig ist. Den Initiantinnen und Initianten aber danke ich für ihr Engagement. Ich bin überzeugt, die Welt wäre  eine bessere, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe.

2 thoughts on “Haben wir mit der Ablehnung des Grundeinkommens eine Chance verpasst?

  1. “Nach der Abstimung ist vor der Abstimmung.” Dieser Slogan gilt auch für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, welches als visionäre Idee durch vielfältiges Engagement ins Bewusstsein eines Grossteils der Bevölkerung gesickert ist. Am Thema bleiben viele Aktivist_innen dran. Eine interesante Veranstaltung dazu findet am 17. September in Zürich statt; -mit einer namhaften Beteiligung von Ostschweizerinnen notabene:
    https://wirtschaft-ist-care.org/veranstaltungen/

  2. Die Meinungen darüber waren ja doch immer wieder sehr unterschiedlich. Vielen Menschen hätte es sicherlich mehr Lebensqualität geboten, allerdings stellt sich doch immer wieder die Frage, ob eine Umsetung überhaupt möglich gewesen wäre. Das hat sich jetzt jedoch aufgrund der Ablehung erledigt.


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