Maria und das Frauenbild der Kirche

Maria und das Frauenbild der Kirche

Maria ist im christlichen Glauben allgegenwärtig: in Festtagen, Liedern, Gebeten, Geschichten, auf Wallfahrten und seit einiger Zeit verstärkt unter dem Stichwort «Maria 2.0». Was macht die Faszination für die Gottesmutter aus? Theologin Barbara Nick-Labatzki beschäftigte sich zum Marienmonat Mai mit der Marienfigur. Ihre Gedanken sind auch zur Weihnachtszeit wieder aktuell.

 

Obwohl für viele Gläubige, gerade in der jüngeren Generation, die Bedeutung Marias abzunehmen scheint, hat Maria weiterhin eine grosse Anziehungskraft – sie ist eben die Mutter Gottes! Und Marienerscheinungen und Wundererzählungen bieten Raum für Faszination … In der Bibel erfährt man nicht viel über Maria und so bietet sie bis heute eine grosse Projektionsfläche. Das ist zum einen schwierig, da unser Bild von Maria gerade auch dadurch mit patriarchalen Idealvorstellungen ‘beladen’ werden konnte. Andererseits hat die Figur der Maria so eine Offenheit für einen je eigenen Zugang. Das zeigt sich unter anderem auch bei jungen christlichen Feministinnen Mehr als mit Blick auf die Tradition angenommen werden könnte!

Es ist richtig, dass die Reinheit Marias lange überbetont wurde, mit wirklich negativen Folgen für das Frauenbild der Kirche. Maria repräsentiert ein weibliches Ideal der reinen und demütigen Jungfrau, die zugleich in ihrer Rolle als Mutter aufgeht. Dem kann keine Frau gerecht werden. Neben diesem Ideal steht die Interpretation der Eva als lustvoll, körperlich und sündig. Eva – so wie Frauen in der Tradition gesehen wurden. Maria – das unerreichte und unerreichbare Ideal. Es ist Zeit, dass beide Frauenfiguren neu interpretiert werden, was zum Glück inzwischen auch schon öfter passiert.

Wie bereits beschrieben, sind traditionelle Marienvorstellungen durch patriarchale Idealvorstellungen geprägt. Oft wird hier übersehen, dass es sich bei der Rede von der Jungfräulichkeit um eine theologische und nicht um eine biologische Aussage handelt. Letztlich passiert mit Maria etwas, das Entkörperung genannt werden kann.  Heiligkeit und Körperlichkeit scheinen in der christlichen Tradition nicht zusammenzupassen. Das hat Folgen für den Blick auf weibliche Sexualität. Während Maria von ihrer körperlichen und lustvollen Seite entkoppelt wird, werden Frauen, nach Vorbild der ‘sündigen’ Eva, häufig auf ihre Körperlichkeit reduziert und für ihre Selbstbestimmung kritisiert. Es sind vielfältige Machtstrukturen, die sich nicht nur gesellschaftlich, sondern auch theologisch manifestieren. Wie etwa in der katholischen Sexualmoral oder in der Rolle der Frau in der Kirche.

Am Beispiel der Maria/Eva-Typologie lässt sich der paradoxe und machtgeprägte Umgang mit Geschlechtlichkeit und Sexualität in der Kirche untersuchen. So wundert es nicht, dass die Darstellung Marias in Kombination mit einer Vulva nicht nur irritiert, sondern stark emotionale Reaktionen hervorruft. Und das, obwohl es hierbei nicht um eine Sexualisierung Marias geht, sondern um das Sichtbarmachen ihrer Weiblichkeit, ihrer Freiheit, ihrer lebensspendenden Kraft und Menschlichkeit. Maria ist nicht Frau über allen Frauen, sondern Frau unter allen Frauen.

Bilder und Text: Bistum Osnabrück

Wie haben sich Marienbilder im Laufe der Zeit verändert?

Interessant ist, dass Mariendarstellungen, die an das weibliche Geschlecht angelehnt sind, auf eine lange Tradition zurückblicken. In der Urkirche noch war die Vulva ein gängiges Symbol, bekannte Strahlenkranzmadonnen gehen auf diese Symbolik zurück. In vielen Darstellungen wird Marias Mutterschaft betont, oder aber ihre Heiligkeit und Schönheit herausgestellt. Unsere Kultur ist besonders von rein wirkenden, weissen Mariendarstellungen geprägt. Ein Bild, das trügt, zeigt sich in interkultureller Perspektive doch eine Vielzahl an Marienbildern, sowohl in Optik als auch in der Symbolik. Mein Eindruck ist, dass klassische Darstellungen weiterhin präsent bleiben, sowohl in Kirche als auch in der Popkultur – mal voller Ernst und mal mit einem ironisch-kitschigen Augenzwinkern.

Ich selber habe keine konkrete Mariendarstellung, die mir besonders am Herzen liegt. Metaphorisch gesehen ist mein liebstes Marienbild das einer Frau, die selbstbewusst und voller Hoffnung auf eine bessere Welt, auf Unterdrückung und Missstände aufmerksam macht. Die in Vertrauen auf Gott und ihre ermutigende Geistkraft auf vielfältige Weise Leben spendet. Deren Lust Freude bedeutet und deren Verletzlichkeit Stärke ist.

(aus dem Beitrag des Don-Bosco-Magazins)

Was hat Maria heute zu sagen? Dafür lohnt sich ein Blick in das Magnificat, den Lobgesang Marias für Gott. Hier lernen wir Maria als Prophetin kennen, kritisch und revolutionär denkend, und sich in ihrer Freiheit doch von Gott gehalten wissend. Auf einer persönlichen und gesellschaftlichen Ebene kann Maria so zu einem Vorbild für Emanzipation, Mut und Hoffnung werden. Taugt die Gottesmutter als Vorbild für moderne Mütter? Diese Frage beantwortet Barbara Nick-Labatzki in einem Interview, das im Don-Bosco-Magazin erschienen ist.

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