Behinderte Frauen im Frauengefängnis Hindelbank

Behinderte Frauen im Frauengefängnis Hindelbank

Hinter Gittern sitzen auch einige Frauen mit geistiger  Behinderung. Welche Taten haben sie gemacht? Gibt es einen gemeinsamen Nenner und wie lange verweilt eine solche Täterin im Strafvollzug? Ist der Strafvollzug überhaupt ein geeigneter Platz für psychisch gestörte Straftäterinnen?

In Hindelbank, dem einzigen Frauengefängnis der Schweiz, sind 107 Frauen inhaftiert. Einige darunter haben eine geistige Behinderung. Sie haben durchwegs gravierende Delikte getätigt, teils Menschen bei Leib und Leben verletzt. Meist ist es eine therapeutische Massnahme, wegen der behinderte Frauen in Hindelbank weilen, wenn beispielsweise eine stationäre therapeutische Massnahme in geschlossener Einrichtung gefordert ist, meist im Zusammenhang mit einer psychischen Störung, bei der die Aussicht auf eine Senkung des Rückfallrisikos gegeben ist.

Ist die nötige therapeutische Behandlung gewährleistet, kommt auch eine Strafanstalt als Massnahmenplatz in Frage. Leichtere Verstösse aber enden schon gar nicht dort, denn die strafrechtlich verankerte Schuldunfähigkeit wirkt als Filter. Die meisten Insassinnen mit geistiger Behinderung in Hindelbank sind auch psychisch gestört. Verschiedene haben schon in der Kindheit Erfahrungen von Missbrauch und Gewalt gemacht und sind traumatisiert.

Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug dauert bis fünf Jahre. Das Gericht kann aber auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung um weitere fünf Jahre anordnen. Die Erfahrung zeigt, dass die Massnahmen bei psychisch gestörten Straftäterinnen praktisch immer verlängert werden. Ein Grund liegt oft bei den fehlenden Anschlusslösungen, besonders im Bereiche des betreuten Wohnens. Kaum ein Heim in der Schweiz ist für rückfallgefährdete Personen eingerichtet, besonders nicht für jene mit Risiken wie Brandstiftung oder Tötung. Diese erfordern nämlich sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen.

Die Strafen geistig behinderter Straftäterinnen haben zwei Komponenten – eine rückwärts- und eine vorwärtsgerichtete. Bei ersterer geht es um Vergeltung, bei letzterer um Prävention. Diesbezüglich versucht man in der Strafanstalt alternative Bewältigungsstrategien aufzubauen. Dies ist auch bei geistiger Behinderung möglich. Insassinnen mit geistiger Behinderung sind in der Integrationsgruppe in kleinen Einheiten untergebracht. In Kleingruppen versucht man die sozialen Fähigkeiten und die Alltags- und Wohnkompetenzen durch Betreuung, Arbeitsagogik und Therapie zu fördern. Das Zusammenleben gestaltet sich meist anspruchsvoll. Je nach Gruppenkonstellation und –dynamik können fürsorgliche Beziehungen entstehen, ebenfalls ist aber auch Ausgrenzung möglich. Das Betreuungspersonal muss ausgleichend intervenieren.

Wo immer es geht, werden individuelle Lösungen für die jeweilige Straftäterin mit stark reduzierten Alltagskompetenzen angewandt, zum Beispiel was die Ordnung oder Hygiene in der Zelle betrifft. In einzelnen Bereichen schafft der Gesundheitsdienst oder die Spitex Abhilfe, doch dennoch sind die spezifischen Angebotsmöglichkeiten gering, besonders auch, was die Freizeitsangebote für diese Menschen betrifft. Ein geschützter Rahmen mit entsprechender Fachbetreuung und mit Bewohnerinnen, die ähnliche Kompetenzen haben, wäre sicher der bessere Ort. In Hindelbank sind die Frauen oft zu vielen Einflüssen ausgesetzt und gezwungen, mit Frauen zusammenzuleben, die andere, aber ebenfalls schwerwiegende Schwierigkeiten mitbringen.

Langfristig und interdisziplinär

Das forensische Institut Ostschweiz (forio) hat ein ambulantes Behandlungsprogramm für Menschen mit Lern- und geistigen Behinderungen und grenzverletzendem Verhalten erarbeitet, das die Rückfallgefahr senken und die gesellschaftliche Integration vorantreiben soll. Meinrad Rutschmann, stv. forio-Geschäftsführer, sagt: „Für diese Menschen braucht es ganz spezifische Angebote. Die therapeutische Begleitung muss interdisziplinär und über einen längeren Zeitraum erfolgen.“ Das modular aufgebaute, über zwei Jahre angelegte Programm wird im Auftrag von Institutionen oder behördlichen Stellen durchgeführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*