Gender Bashing – der Angriff auf die Geschlechterforschung
Keine andere akademische Disziplin wird derart lächerlich gemacht wie die Geschlechterforschung. Doch ihre pauschale Diffamierung bedeutet einen Angriff auf das Wesen der gesamten Wissenschaft, meint der Kunstwissenschaftler Daniel Hornuff.
Einst ging alle Macht vom Volke aus. Heute geht die Macht von der Geschlechterforschung aus, und Deutschland ächzt unter ihrem Regime. Immerhin verbiete sie den gesunden Menschenverstand und sanktioniere das freie Sprechen. So jedenfalls sieht es eine steigende Zahl blasierter Schreihälse. Die sogenannten Gender Studies avancieren derzeit zu einem massenmedialen Dauerbrenner. Freilich geht es dabei nicht um eine vertiefte Auseinandersetzung mit ihren Ansätzen und Inhalten, folglich also nicht um Kritik im eigentlichen Sinne. Im Zentrum steht das Gender-Bashing: Eine entrüstete, hochmütige, nicht selten chauvinistische, stets pauschale Diffamierung der Geschlechterforschung. Ziel ist es, die Geschlechterforschung als akademische Idiotie zu entlarven.
Die Schreihälse sind sich nicht einig
Dabei sind die Schreihälse untereinander völlig uneinig, in welcher Weise die Geschlechterforschung abgewertet werden soll. Einerseits gilt ihnen diese Forschung als gefährlich stark: Man wirft ihr weltanschauliche Zurechtweisungen vor und warnt vor einem volkspädagogischen Umerziehungsprogramm. Andererseits attestiert man ihr einen zeitgeistigen Opportunismus, tadelt sie also für grundsätzliche Wirkungsarmut und Erkenntnisschwäche. Beide Einwände widersprechen sich. Umso mehr zeigen sie, dass hier lediglich Ressentiments unterschiedlicher Couleurs reproduziert werden.
Dabei folgt der Grundimpuls der Geschlechterforschung urwissenschaftlichen Kriterien. Wissenschaftlich zu forschen heisst, vermeintliche Gewissheiten mit aller Konsequenz infrage zu stellen. Zu diesen vermeintlichen Gewissheiten gehört wesentlich die Annahme, das Geschlecht einer Person sei ausschließlich biologisch bedingt. Der Auftrag der Geschlechterforschung liegt nun darin, zu untersuchen, inwieweit das Geschlecht ebenso soziale und kulturelle Dimensionen besitzt. Daraus wiederum ergeben sich Fragen nach gesellschaftlichen Prozessen – etwa: Wie korrelieren Macht und Geschlecht? Oder aber: Wie hängen Sprache und Institutionen mit geschlechtlichen Stereotypen zusammen? Und nicht zuletzt: Welche Mythen, Bilder und Handlungen sind an der Formierung und Organisation von Geschlechterrollen beteiligt?
Angriff auf das Wesen der Wissenschaft
Dass die Geschlechterforschung gelegentlich über ihr Ziel hinausschiesst und manch bunte Blüte treibt, ist bekannt. Dies aber ist kein besonderes Merkmal dieses Forschungszweigs, sondern generelle Eigenschaft aller Wissenschaften, insbesondere junger Disziplinen, die sich ihre Methoden und Grenzen erst noch erarbeiten müssen. Selbst in so etablierten Fächern wie der Medizin oder der Rechtswissenschaft türmen sich Berge wissenschaftlicher Absurditäten und intellektueller Peinlichkeiten. Doch käme hier niemand auf die Idee, akademischen Disziplinen allein deswegen das Lebensrecht abzusprechen.
Klar ist, dass die pauschale Verhöhnung der Geschlechterforschung einen Angriff auf das Wesen der Wissenschaft im Gesamten bedeutet. Es genügt daher nicht, die Verteidigung der Geschlechterforschung nur ihr selbst zu überlassen. Stattdessen müssten alle, die Wissenschaft als angewandte Skepsis verstehen, den Verächtern der Gender Studies entgegentreten – und zeigen, dass das Studieren des sozialen Geschlechts nichts anderes als das Einlösen des wissenschaftlichen Auftrags bedeutet. Wer sich aufschwingt, diesen zu verspotten, will seinerseits Wissenschaft durch Ideologie ersetzen.
Pflichtübung aller Rechtspopulisten
Das ist übrigens auch der Grund, warum das Gender-Bashing zur Pflichtübung aller Rechtspopulisten gehört. Im Lächerlichmachen der Geschlechterforschung entfalten sie ihre ganze anti-akademische Arroganz. Die Geschlechterforschung kritisch wertzuschätzen heisst demnach auch, die Wissenschaft gegen ihre dogmatischen Feinde zu behaupten.